Datengewinnung

a) Ein vorbereitender Arbeitsschritt ist das eigene Erleben vom gesungenen Lied und die Explizierung dessen, was man dabei gefühlt und verstanden hat. Jede Forscherin ist in einen bestimmten Lebenskontext eingebunden. Sie erlebt und interpretiert das Lied aus ihrer Lebenssituation. Diese Standortgebundenheit kann man nicht verlassen.

b) Die Datengewinnung ist nicht ohne aktives Singen (in einer Gruppe) möglich. Das Sin­gen des zu analysierenden Liedes ist konstitutiv, um die Erlebniszentrierte Analyse durch­­führen zu können. Dafür ist Feldforschung nötig. Der Zugang zum Feld ist wichtig und muss regelmäßig kontrolliert und korrigiert werden.

Bei der Erforschung des Singens im Gottesdienst vollführe ich eine Gratwanderung zwischen Gewohnheit, dann kann man nicht viel darüber erzählen und Besonderheit, dann ist der Alltag stark verändert. Ich beschreibe Ihnen kurz meine Entwicklung: Zuerst wollte ich „Offenes Singen“ besuchen, doch dies ist heute kaum noch üblich. Allerdings habe ich zwei Veranstaltungen beim Kirchentag in HH aufgenommen, die tauchen in meinem Vortrag immer wieder auf. Also änderte ich meine Datenerhebung und bin jetzt in „normalen“ Gottesdiensten. Ich rege die Kantorinnen an, einen Gesang von vorne zu leiten, sodass das Singen an einer Stelle etwas herausgehoben ist.

c) Nach dem Singen werden die Singenden in einen Dialog zwischen dem Forscher, dem Lied und untereinander geführt. Zentral ist in diesem Schritt das Dialogische. Unterschiedliche Formen des Dialogs sind möglich. Einmal kann die Gruppe, die gerade zusammen gesungen hat, in ein Gespräch darüber eintreten. Hier ist der Vorteil, dass die Anwesenden sich gegenseitig beeinflussen, ein ähnliches Erleben mit unterschiedlichen Worten ausdrücken. Das eine Lied, das von vorne angeleitet wurde wird häufig sehr positiv aufgenommen und ist ein guter Einstieg in das Gespräch, weil es vielen Singenden aufgefallen ist. Zum anderen ist es auch möglich Einzelinterviews nach dem Singen zu führen, darin dominieren die individuellen Komponenten, häufig lebensgeschichtlich erzählt. Eine weitere Entwicklung, die sich ergeben hat ist, dass ich Postkarten als Schreibaufruf verteile. So können auch die Gottesdienstbesucherinnen, die gleich nach dem Gottesdienst nach Hause gehen, ihr Erleben mitteilen.

Bei den Gesprächen beginne ich mit einem Im­puls, der das Erzählen der Gefühle beim Singen anregt

d) Der Forscher nimmt am Singen beobachtend teil. Er beobachtet die Singenden, den Raum, die Stimmung, die Anleitung zum Singen, die Interaktion zwischen der Singleiterin und den Singenden sowie zwischen den Singenden. Dies alles wird dann in einem Protokoll festgehalten. Dieses Dabeisein mit Haut und Haaren ist notwendig, um dann die Atmosphäre beschreiben zu können.

e) Ein wichtiges Hilfsmittel für die detaillierte Analyse des Singens ist die Videoaufzeichnung. So werden gewisse Grunddaten immer wieder aufrufbar. Durch Videos kann die komplexe Situation analytischer betrachtet werden. Das Video hilft auch dem Gedächtnis auf die Sprünge, denn bei der teilnehmenden Beobachtung kann man nicht alles sehen und sich merken.

Die Videoaufzeichnungen sind geeignet um äußere Beobachtungen zu analysieren. Das innere Erleben wird in den Gruppengesprächen oder Interviews erfasst.

f) Schreibaufruf zu Lebensliedern.

 

Diese vielfältigen Zugänge zum Singen sind notwendig, weil das Eigentliche, nämlich das Erleben nicht direkt zugänglich oder messbar ist. Alles, was ich erforschen kann ist ein Nachher, ist Erinnerung an das Erleben beim Singen.